Wir verbringen die Polarnacht im Winter 2020/21 auf unserem Segelboot in Norwegen rund um Tromsø . Wie geht das? Was ist zu beachten? Im nachfolgenden Blog gibt es viele Überlegungen und Tipps aus eigener Erfahrung.
Inhaltsverzeichnis:
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Neben dem Einlagern des Segelbootes an Land im Jahr 2016/17, war das Überwintern im Wasser auf dem Boot in Norwegen 2021/22 für uns eine weitere tolle Erfahrung. Da Norwegen in der Corona Pandemie für Ausländer abgeriegelt wurde und wir ja bereits im Land waren, hat sich eine Überwinterung auf dem Boot für uns zwangsweise angeboten. Das Boot wie 2016 im Land zu lassen und im nächsten Frühjahr wieder einzureisen, war für uns wegen der unbekannten Dauer der Sperre diesmal keine Option. Idealerweise macht man eine Überwinterung auf dem Boot nördlich des Polarkreises um in den Genuss des polaren Winters zu kommen. Die Polarnacht auf dem eigenen Boot war für uns ein unvergessliches Erlebnis.
Wir haben den Winter 2020/21 von Dezember bis März auf unserem Segelboot im Hafen von Tromsø verbracht. Es gibt in Tromsø noch zwei weitere Marinas: beide sind privat und nur mit vorheriger Anmeldung zu belegen. Beide waren allerdings in diesem Winter voll ausgebucht, wobei die Boote wegen der Einreisesperre meist nicht bewohnt waren. Die Nachteile der beiden anderen Marinas: entweder kein Wasser im Winter, weit außerhalb des Zentrums von Tromsø, oder ausgebucht und dadurch kein Liegeplatz erhältlich.
Wir suchen uns einen sicheren Hafen/Marina in dem wir auch größere Stürme abwettern können (bei 60kn Sturm und mehr ist eine Flucht irgendwo hin kaum noch möglich). Als geeignet für unser Segelboot erschienen uns nördlich des Polarkreises die Orte Bodö, Tromsø, Svolvär und Skjervoy. Es gibt auch weitere, aber etwas kleinere Häfen. In diesen kleinen Häfen haben wir für uns allerdings nur begrenzte Infrastruktur und Freizeitmöglichkeiten ausfindig machen können, um dort im dunklen Polarwinter zu leben. Einige Segelboote haben Lyngseidet als Winterliegeplatz benutzt, doch uns war der Liegeplatz zu unsicher, da er nach Osten hin offen ist und die Liegestege dem Schwell aus dem Fjord ausgesetzt sind. Dazu gibt es in Lyngseidet immer wieder starke Ostwinde, die ein Verbleib auf dem Boot und eine Flucht in den Fjord durch die hohen Wellen schwer machen.
Wegen des vorbeiziehenden Golfstroms friert keiner der genannten Häfen im Winter zu. Es gibt weitere sichere Häfen wie Alta, die aber vom vorbeiziehenden Golfstrom nicht ausreichend mit Warmwasser versorgt werden und daher im Winter regelmäßig zufrieren. Neben der Sicherheit für das Boot bieten von den genannten Orten nur Tromsø und Bodø einen internationalen Flughafen an. Die medizinische Versorgung und die einfache Versorgung mit Lebensmittel ist in allen genannten Orten gegeben.
Im Winter konkurriert man in den Häfen um die Liegeplätze mit den Fischern, da um diese Zeit die Hauptfangsaison für Hering und Kabeljau ist. Auch bei aufziehendem Schlechtwetter liegen viele Fischerboote zum Schutz oft tagelang in den Häfen. In Skjervoy und Svolvær haben die Hafenmeister unsere Anfrage auf einen Winterliegeplatz abgelehnt, da es dort im Winter sehr voll wird, viele Fischer nutzen beide Häfen als Ausgangspunkt für ihre Fänge und somit bleibt kaum Platz für Freizeitboote. Tromsø wird nur von durchfahrenden Fischern besucht. Auch bei schlechtem Wetter ist die Marina nicht voll belegt.
Die Hafenanlage in Tromsø ist neu und sehr stabil gebaut. Sie gibt Platz für ca. 100 Boote am Schwimmsteg. Die Marina
ist von drei Seiten durch Gebäude geschützt. Eine stabile Kaimauer trennt die Marina vom Sund nach Osten weitgehend ab. Wir haben in den drei Monaten keinen starken Sturm im Hafen von
Tromsø erlebt. Bodø bietet im inneren Teil der Stadt Marina auch sehr geschützte Plätze an, doch die Stürme
fallen hier wohl insgesamt heftiger aus als in Tromsø.
Letztendlich haben wir uns aus Sicht des Schutzes des Hafens und im Gesamtpaket für die Stadt Marina in
Tromsø entschieden.
Unsere Noe hat eine Warmwasser Heizung von Kabola, die sehr zuverlässig funktioniert, und ausreichend Wärme für unser Boot produziert. Leider braucht die Heizung 230V und wird aus den Batterien üder den Wechselrichter gespeist. Nach einer Woche Liegezeit ohne Landstrom sind unsere AGM-Batterien leer. Die Batterien können nur mit Hilfe des Motors wieder aufgeladen werden, da die Sonne im Winter nördlich des Polarkreises nicht vorhanden ist. Die aus unserer Sicht und Erfahrung ideale Ausrüstung zum Beheizen des Bootes für eine Polarüberwinterung ist ein Ölofen wie er z.B. von Reflex oder Dickinson angeboten wird. Zur Luftventilation im Boot bietet sich ein stromlosen Ofenventilator an. Bewährt hat sich bei uns auch ein elektrischen Heizlüfter mit 1500W für den Hafen. Wenn doch eine Kabola Heizung mit 230V oder andere 230VHeizsysteme im Schiff eingebaut werden, hat sich der Einbau von starken Lithiumbatterien bewährt. Die Kälte war für die Lithiumbatterien übrigens nie ein Problem! Das Aufladen der Lithiumbatterien erfolgt über die Lichtmaschine über ein vielfaches schneller als das Laden einer AGM Batterie. Alle anderen 4 Boote, die mit uns den Polarwinter verbracht haben, waren mit Lithiumbatterien ausgerüstet.
Unser Aluminiumsegelboot ist über der Wasserlinie mit einer 3-5cm dicken Schicht Sprühschaum gut isoliert. An allen freien Metallteilen wie z.B. an den Dachluken bildet sich Kondenswasser. Auch die Scheiben unseres Deckshauses sind regelmäßig nass. Abhilfe: Wir haben unser Alu Dachluken mit einer zusätzlichen Scheibe aus Plexiglas versehen und unsere Deckshausfenster mit einer Thermofolie von Tesa beklebt. Die Plexiglasscheibe und die Tesa Folie gibt es in jedem Bauhaus. Die Tesa-Folie kostet ca. 10Euro und reicht für zwei bis vier Fenster. Um die Folie anzubringen, wird ein Klebestreifen um den Fensterrahmen gelegt, und die Folie dann aufgebracht. Kurz mit einem Fön angehaucht, spannt sich die Folie und ist kaum sichtbar. Wir haben die Folien nach 3 Jahren immer nach an den Fenstern. Dadurch bildet sich zwischen den Fenstern bzw. den Dachluken eine Luftschicht, die die Bildung von Kondenswasser entweder wie bei den Fenstern komplett verhindert bzw. bei den Dachluken reduziert (statt am Tag zweimal wird jetzt in einer Woche zweimal Kondenswasser entfernen). Den Schnee haben wir auf dem Boot bis zu einer Höhe von 20cm liegen lassen, da er das Boot zusätzlich gut isoliert. Größere Schneemengen haben wir entfernt, da das Boot sonst instabil wird und weit in das Wasser sinkt (bei einem Meter Schnee und Bildung von einer Eisschicht auf dem Boot entsteht ein zusätzliches Gewicht von 1-4 Tonnen).
Zusätzlich zu den unter Isolierung genannten Punkten, gute Isolierung des Bootes und Folien bzw. Plexiglasscheiben als Doppelfenster, haben wir uns zur weiteren Reduzierung des Kondenswassers einen Luftentfeuchter von der Firma Maeco (Typ DDL8 Junior) gekauft. Der Junior hat auch eine Heizfunktion und eine Trocknerfunktion für Wäsche. Der Entfeuchter hat bei uns pro Tag um die 5 Liter Wasser eingesammelt. Durch den Einsatz des Entfeuchters wurde die Kondensation an den Bootswänden und Fenster weiter erheblich reduziert. Wir haben mit dem Entfeuchter auch unsere feuchte Wäsche nach der Skitour getrocknet. Meist haben wir den Entfeuchter im Dusch- bzw. Toilettenraum aufgestellt, in dem wir auch feuchte Wäsche aufgehängt haben. Eine kleine, aufhängbare Wäschespinne ist hier sehr nützlich. Der Lüfter ist in der unteren Stufe geräuscharm, bei der Heizfunktion mit "voller Leistung" rauscht er nach unserem subjektivem Empfinden immer noch angenehm. Einen passiven Luftentfeuchter mit Granulat haben wir nach zwei Tagen wieder entsorgt, da hier keine für uns nachweisliche Wirkung zur Reduzierung des Kondenswassers zu sehen war.
Zum Schneeschaufeln benützen wir eine große und kleine Schaufel aus Kunststoff (Metall verkratzt das Boot), als Skitourengeher haben wir für diesen Zweck unsere Lawinenschaufeln verwendet. Für das Entfernen von Schneestaub und Schneeresten ist ein guter Handbesen hilfreich. Bei starkem Schneefall haben wir das Boot zweimal am Tag vom Schnee befreit. Vorsicht: durch die Wärme des Bootes taut der Schnee auf dem Boot und das Wasser gefriert dann an den Auslässen. An den Auslässen bilden sich dann dicke Eispanzer. Weiteres Wasser kann dann nicht mehr durch die Auslässe abfließen und staut sich auf dem Bootsdeck. Dadurch wird das Gewicht des Bootes erheblich erhöht. Wir haben das unbeaufsichtigte Segelboot eines befreundeten französischen Seglers in Tromsø mehrmals von dieser Eislast und dem Schnee befreit, das Segelboot kam dadurch immer etwa 10-15cm aus dem Wasser.
Das Polarmuseum, die Eismeerkathedrale, ein großes Wellnessbad, eine Kletterhalle und beleuchtete Langlaufloipen mitten durch Tromsø sind nur einige Beispiele der vielfachen Möglichkeiten sich die langen Nächte des Polarwinters in Tromsø zu vertreiben. Es gibt dazu mehr als 20 Skitouren rund um Tromsø, die mit den Stadtbussen bequem zu erreichen sind. Ein Skigebiet mit einigen Skiliften und unzählige beleuchtete Langlaufloipen im Umkreis von Tromsø lassen keine Langeweile aufkommen.
Die Liegekosten liegen in Tromsø bei 30Euro am Tag, unbegrenzt Strom und Wasser inklusiv. Bezahlt wird mit der App GoMarina. Der Preis für den Liegeplatz ist mit einer der höchsten in Norwegen. Toilette und Waschmaschine (am Camping Platz) sind extra zu bezahlen. Leider gibt es für bewohnte Boote in der Marina keinen Rabatt für Dauerlieger. Wer sein Boot nicht bewohnt, kann einen Rabatt bekommen. Unbeaufsichtigte Boot brauchen aber einen benannten Kümmerer für die Zeit der Abwesenheit. Dieser Kümmerer ist nach unserer Einschätzung auch dringend notwendig, da das Boot regelmäßig von der Last des Schnees befreit werden muss. Auch die Leinen müssen immer wieder mal korrigiert werden. Die Marina bietet diesen Service nicht an!
Gemäß den EU/EEA Regulation (link) muss man sich ab einem Aufenthalt von 3 Monaten beim norwegischen Ausländerzentralamt UDI elektronisch registrieren. Als Wohnort in Norwegen haben wir einen Ort angegeben, der auf unserer Reiseroute liegt (da man dort zur Polizei muss). Als Adresse haben wir z.B. die Adresse des Hafenbüros angegeben, da das Boot ja keine Adresse hat und haben das dann beim Termin der Polizei so erklärt. Neben einem Personalausweis ist auch ein Banknachweis zu erbringen, mit dem man nachweist, dass man über ausreichend eigene Mittel verfügt, um dem norwegischen Staat nicht auf der Tasche zu liegen. Auch einen Nachweis der Krankenversicherung haben wir vorgelegt. Nach der Onlineregistrierung macht man über das Internet einen Termin bei einer Polizeibehörde aus und gibt dort persönlich die Unterlagen ab. Den Termin sollte man frühzeitig reservieren, da in einigen Orten nur begrenzte Termine vergeben werden. Durch Covid kann es auch sein, dass kein Termin verfügbar ist. Wir hatten eher den Eindruck, dass die Polizei überrascht war, dass wir so etwas machen, und niemand hat uns während unseres Aufenthalt nach der Registrierung gefragt.
Das Wetter kann im Winter in Tromsø extrem sein: tagelanger Schneefall und mehrere Meter Schnee sind keine Seltenheit. Im Winter 20/21 gab es allerdings sehr wenig Schnee. Ein Wärmeeinbruch mit starkem Regen Mitte Dezember hat den Schnee bis auf über 1000m Höhe wieder fast komplett weggetaut. Erst Ende Januar hat es dann wieder ausgiebig geschneit.
Die teils orkanartigen Winterstürme, die entlang der Küste nach Norden ziehen, kommen hier oben vorbei. Stürme mit über 50kn Windgeschwindigkeit sind keine Seltenheit. Es gibt auch keine wärmende Sonne, da die Sonne für 2 Monate von Ende November bis Anfang Februar nicht über den Horizont kommt. Die Lufttemperatur sinkt in dem vom Golfstrom versorgten Häfen an der Küste allerdings kaum unter -10 Grad. Je weiter draußen am Nordmeer und je weiter weg vom Festland, desto wärmer ist es und desto weniger Schnee fällt. Die Lufttemperatur kann allerdings 10km weit im Inland -20 Grad betragen, während zur gleichen Zeit an der Küste oder in Tromsø 0 Grad gemessen werden. Wir haben in Tromsø maximal -8 Grad erlebt. Meist lag die Temperatur Nachts bei 0 bis -5Grad und tagsüber bei 0 bis +5Grad. Der Golfstrom hat eine Wassertemperatur von 2-4 Grad und hält damit auch das Boot von unten frostfrei. Selbst der in das Hafenbecken geschaufelte Schnee schmilzt in wenigen Minuten.
In der Weihnachtszeit und Neujahr ist es von 10 bis 14 Uhr hell. Vor 10 Uhr und nach 14Uhr gibt es etwa eine Stunde Dämmerung mit etwas Licht. Auch die Nacht ist oft nicht so dunkel wie oft angenommen wird. Bei klarem Himmel sieht man den Mond etwa 20h am Himmel stehen. In Zusammenwirkung mit der Lichtreflexion von Wasser und Schnee ergibt dies genug Licht um z.B. eine Wanderung unternehmen zu können. 24h Dunkelheit im Polarwinter gibt es nur auf Spitzbergen.