IV+, Wettersteingebirge
Erstbegeher: U. Knittl, R. Kunze, 1994
wir am 17.07.2019
Wenn man in Garmisch nach Süden in das Wettersteingebirge schaut, fällt einem sogleich die markante Gipfelpyramide der Alpspitze 2628m auf. Interessanter Weise wurde die Wand lange Zeit von den Kletterern so gut wie ignoriert. In der alpinen Blüte der 30ger und 40ger Jahre spielte sich das Geschehen im Wetterstein Gebirge mehr auf der Südwand der Schüsselkarspitze und im Oberraintal ab. Viele rassige Klettertouren zeugen dort von dieser Epoche. Erst in den 90ger Jahren wurde an der von weit her gut sichtbarer Nordwand der Alpspitze intensiver geklettert. Bekannt wurde die Wand eigentlich durch den Klettersteig auf die Alpspitze, der durch seine Nähe zur Seilbahn bald sehr beliebt wurde. Inzwischen ziehen links vom Klettersteig zahlreiche, teils sportliche Routen durch die Wand. Die meisten Touren enden auf der Schuttterasse in Wandmitte. Unsere geplante Klettertour, der KG-Weg IV+, geht bis zum Gipfel durch. Die Route wurde 1994 von U. Knittl und R. Kunze erstbegangen.
Da der Zustieg zur Klettertour vom Tal fast 3 Stunden beträgt, gönnen wir uns heute mal eine Berg- und Talfahrt mit der Alpspitzbahn. Von der Bergstation folgen wir 15min dem Weg zum Nordwandsteig bis zum Anfang des Tunnels, wo sich am linken Tunnelrand der Einstieg des KG-Weges befindet. Heute, unter der Woche, sind am Nordwandsteig noch keine Wanderer unterwegs. Wir können uns somit bequem am Einstieg auf dem engen und ausgesetzten Weg am Tunneleingang ausbreiten. Nur 200m hinter uns, am Einstieg des Klettersteigs, bildet sich so langsam eine größere Menschentraube. Der KG-Weg hat lt. Führer 14 Seillängen und ist mit IV+ angegeben, gerade recht für den Anfang unserer Klettersaison. Da wir bis in den Frühsommer beim Wandern waren und eigentlich keine Fans von Halle und Klettergarten sind, muss die Kletterform und der Kletterfluss im Gebirge entstehen. Bisher steht dieses Jahr nur die Nordwand der Hörndlwand im Chiemgau in unserem Tourenbuch.
In der ersten Seillänge geht es gleich zur Sache, da hier die Schlüsselstelle der Tour ist. Im Führer* Alpines Genussklettern ist lapidar vermerkt: „Überraschend steil ist die erste Seillänge. Wer die schafft, dem muss vor den deutlich leichteren weiteren Seillängen nicht bange sein.“ Noch etwas ungelenk und ohne den richtigen Kletterfluss steige ich wie immer die erste Seillänge vor. Der Kalk Fels ist gut und griffig und wird von der Morgensonne angenehm aufgewärmt. Christine sichert mich am Einfachseil mit dem Halbmastwurf und ist selbst an einem Bohrhaken links vom Tunneleingang angehängt. Fast versteige ich mich schon nach 10m, als ich die Abzweigung zu einem anfangs unscheinbare Riss nach rechts verpasse. Eine rote Schlinge, die in einem Normalhaken eingeknotet ist, weist mir dann doch den weiteren Weg nach oben. Da die Stände und Zwischensicherungen in der Tour durchgehend gebohrt sind, brauchen wir keine Klemmkeile und klettern die Tour in abwechselnder Führung.
In den nächsten Seillängen wird es etwas unübersichtlich, da parallel von uns wohl einige neuere Klettertouren entlangführen, in denen sich einige Kletterer tummeln. Man kann wohl über ein Band vom Klettersteig zu diesen Routen hereinqueren und an den verschiedenen Touren abseilen. Überall blinken uns Bohrhaken entgegen. In unserem Topo aus dem Buch Alpines Genussklettern ist davon nichts vermerkt. Die roten Punkte, die angeblich den Routenverlauf der BW3 anzeigen sollen sehen wir auch nicht. Das macht uns aber nichts, wir klettern die nächsten 6 Seillängen einfach gerade hoch, und suchen uns immer die am schönsten aussehende nächste Seillänge heraus - Auswahl gibt es ja genug! Wir werden im Weiterweg einmal sogar von einer quer unter uns kletternden Seilschaft mit einem lauten „Hey!“ darauf hingewiesen, dass wir uns in ihrer Tour befinden. Da wir inzwischen aber gut Fahrt aufgenommen haben, sind wir schnell weg und davon. Die Anstiegsskizze bleibt ab jetzt in der Hosentasche - es geht eh einfach gerade nach oben. Großartige wasserzerfressene und geneigte Platten wechseln ab mit schönen steilen Felsstufen und das alles ganz ordentlich abgesichert.
Bald sind wir am großen Schuttband in Wandmitte am Herzl angelangt. Auf dem Band liegt etwas links von uns ein großer Schneefleck in der Form eines Herzes. Wir krabbeln seilfrei rechts am Schneefeld vorbei, passieren eine Gedenktafel und finden nach der Skimarkierung, die hier ein Spaßvogel aufgebaut hat, schräg rechts die Haken und den Stand für den Weiterweg nach oben. Wer hier nicht mehr mag kann rechts herausqueren zur Via Ferrata. Für uns ist das keine Option, da wir gerade warm geklettert sind. Links geht es zu den Adamsplatten. Wir halten uns aber schräg rechts und sehen bald die ersten Haken der schier endlosen Ausstiegsplatten des KG-Weges. Der Kletterführer vermerkt: " Für den Weiterweg das Geröllfeld direkt in Richtung der rechten, plattigen Rippe ansteigen. Ungesichert an einer Gedenktafel vorbei zum Einstieg." Naja, wir sind zum Herzl Schneefeld und dann schräg recht nach oben gequert. Letztendlich braucht es da etwas alpines Gespür um den Weiterweg des KG Weges zu finden, um nicht in die Adamsplatten nach links weg zu driften :-)).
Jetzt folgen noch 7 Seillängen feinste Plattenkletterei im III und IV Grad, bis die Wand durch eine überhängende Stufe gesperrt ist. In den Platten stecken einige Stift Bohrhaken der alten Art. Wir könnten noch endlos so weiter steigen, die Tour macht richtig Spaß. Doch eine senkrechte Stufe kurz vor dem Gipfel verbaut den Weiterweg und wir queren nach rechts heraus bis zu einem Abseilhaken. Von dort sieht man etwa 10m unten auch schon den Klettersteig.
Am Ende der 14. Seillänge klettern wir nach rechts zu einem Ringhaken, von dem wir schon hinter einer Felskante den Klettersteig sehen. Bedingt durch das schöne Wetter reiht sich am Klettersteig eine endlose Menschenschlange nach oben. Als wir doch mal eine Lücke in der Schlange finden, seilen wir an dem Ringhaken schnell die10m zum Klettersteig ab.
Eigentlich wollen wir auf dem Klettersteig absteigen, was aber bedingt durch die Menschenmasse, die den Steig nach oben strömt, ein sinnloses Unterfangen ist. Also wandern wir die restlichen Meter zum Gipfel der Alpspitze auf dem Klettersteig nach oben. Wir gehen allerdings meist im Slalom links oder rechts vom Steig in sicherem Abstand zu den vielen Klettersteiglern. Der Abstieg führt uns den Ostgrat in das Oberkar hinunter und dann über den Nordwandsteig zurück zur Bahn. Vor der Talfahrt lassen wir den Klettertag auf der Terrasse des Restaurants der Bergstation bei einem Apfelstrudel mit Cappuccino ausklingen.
Tolle und schön lange Route durch die Nordwand der Alpspitze. Schwierigkeit IV+ wenige Stellen, meist II-IV. Bei Benutzung der Alpspitzbahn ist man von der Bergstation in 15min am Einstieg. Einstieg am linken Rand des 1. Tunnels des Nordwandsteiges - Bohrhaken. Die Route hat hervorragenden Fels und gute Absicherung. Im unteren Teil kann man sich kaum verlaufen, es geht parallel zu anderen Routen immer gerade hinauf. Vorsicht in der 1. Seillänge, nach etwa 15m dem rechten Riss folgen und nicht der verlockenden Rampe nach links.
Wer den oberen Teil auslässt verpasst einiges: Tolle und ordentlich abgesicherte Platten zum ewig weiter Klettern. Wie kommt man da hin: Rechts vom Schneefleck zur Gedenktafel und dann schräg rechts haltend zu den ersten Bohrhaken der langen Platten. Wenn es nach 14 SL nicht mehr nach oben weitergeht, einfach etwa 15m nach rechts queren zu einem Bohrhaken. Am Bohrhaken Stand und dann 10m abseilen zum Klettersteig.
Abstieg: Klettersteig etwa 1h (je nach Gegenverkehr), über den Gipfel etwa 1,5h bis zur Bahn.
*Führer und Anstiegsskizze:
Im Internet habe ich leider keine zuverlässige Skizze für den KG-Weg gefunden.
Unsere Quelle: Alpines Genussklettern, von Karsten Kriele und Thomas Bucher, 2012 Bruckmann Verlag. Den Führer gibt es leider nur noch gebraucht zu kaufen.
Im nachfolgenden Link auf bergsteigen.com gibt es zumindest ein Wandbild mit den beiden Routen BW+Adamsplatte und dem oberen Teil des KG Weg (das zweite Bild!)